Historie 2012 – 2019
Interview: Günther Felbinger, Präsident des DSLV seit 2019, befragt seine Vorgänger Barbara Roth (Präsidentin 2012-2019), Andrea Kaufmann (Stellvertretende Präsidentin 2014-2019) und Richard Ebert (Schriftführer 2014-2019). Das Interview fand im Dezember 2020 statt.
Wie kam es, dass du Präsidentin wurdest, Barbara?
Barbara Roth: Letztlich lag es an Dr. Klaus Gladiator. Dieser fragte mich, ob ich mich zur Wahl stellen würde. So beschäftigte ich mich eingehend mit dem Verband. Las die Satzung, die alten Printmedien des Verbandes, beschäftigte mich mit den Vereinigungen, in denen der DSLV eine Stimme hat, wie dem Bayerischen Landessportbeirat, dem Landessportverband und den diversen Gremien des BLSV und führte einige Gespräche. Der Deutsche Sportlehrerverband verfügt über vielfältige Einflussmöglichkeiten als Berufsverband der Sportlehrer. Aus meiner jahrelangen Erfahrung in der Fortbildung von Lehrkräften war mir klar, dass mehr qualitative Sport- und Bewegungsbildung für unsere Kinder und Jugendlichen einhergeht mit mehr Lebensqualität, mehr Wohlbefinden und Gesundheit, mehr persönlichem Lebenserfolg und ganz einfach Lebensfreude. Auch für die Prävention von Sucht und Gewalt ist Sport ein erfolgreiches Medium. Und ja, Sport macht vor allem Spaß und bringt die Menschen mit sich und ihrer Welt in Einklang. In unserer leider etwas „kopflastigen“ Welt brauchen (fast) alle Menschen mehr Bewegung. Und nur in der Schule erreichen wir alle, sodass wir diese Lebensqualität allen näherbringen können. Desto mehr mir klar wurde, welche strukturellen Chancen der DSLV bietet, die Chancen von mehr Sport in der Bildung auch den eher weniger sportbegeisterten Politikern nahe zu bringen, desto mehr war ich bereit, mich dieser ehrenamtlichen Aufgabe zu widmen – sofern die Mitglieder mich als Präsidentin haben wollten. Ich dachte, wenn qualitative Sport- und Bewegungsbildung wieder mehr Anerkennung findet, dann werden auch die Sportlehrerinnen und Sportlehrer anders honoriert und wertgeschätzt. Andere Länder schätzen den Sport auch mehr als wir in Deutschland. Es war mein Ziel, dazu beizutragen, dass die pädagogische Bedeutung von qualitativer Bewegungsbildung bekannter wird. Am 17. November 2012 wurde ich dann von der Mitgliederversammlung des DSLV zur Präsidentin gewählt.
Richard, wie kamst du dazu?
Richard Ebert: Als Barbi 2012 gewählt wurde, war sie natürlich voller Tatendrang und Pläne. Aber es war damals schon klar, dass der Übergang ins digitale Zeitalter für den DSLV dringend Unterstützung braucht.
Es musste also schnell wer dazu kommen, der in einer Rolle als Art „Sonderbeauftragter“ einige dieser neuen Themen realisieren konnte. Ich hatte nicht zuletzt als Gründer und ehemaliger Geschäftsführer der damals größten Kletterhalle Heavens Gate ein gewisses Standing in der Sportindustrie, kannte mich mit IT und Internet ganz gut aus – und konnte somit auf eine gesicherte Stressresistenz verweisen, als Barbi mich fragte, ob ich nicht Lust hätte, mitzuarbeiten. Und so wurde ich ins erweiterte Präsidium berufen und quasi als „Referent“ für alles verpflichtet, was nicht direkt mit Sportunterricht zu tun hatte.
Und wie der Zufall so spielt, habe ich wenige Monate später einen ehemaligen Handball-Kumpel getroffen. Und der kannte über seine Frau die Andrea vom Skifahren – die ich wiederum viele, viele Jahre vorher auf den Lehrgängen und Prüfungen zum staatlichen Skilehrer kennengelernt, aber später völlig aus den Augen verloren hatte…
Barbara Roth: Das Jahr 2013 sehe ich heute im Rückblick als eine Zeit des Übergangs. 2012 wurde ich gewählt, die „Neue“, die auf eine Präsidentschaft von fast 40 Jahren von Karl Bauer folgte. Die Frau, die einfach mal machte. Was natürlich für einige nicht einfach war, die immer schon da waren. Letztendlich hatte ich die Idee, für die nächsten Wahlen 2014 ein neues, vollständiges Präsidium der Mitgliederversammlung vorzuschlagen und die Mitglieder eine Richtungsentscheidung treffen zu lassen.
Wie kamst du überhaupt zum DSLV und was war deine Aufgabe, Andrea?
Andrea Kaufmann: Tja, bevor ich eine Aufgabe im DSLV übernahm, passierte genau das, was wir immer wieder erleben. Die Vergangenheit holt uns ein, wie Richard bereits erwähnte. Und weil der Mann einer alten Skifreundin an mich dachte und sich zufällig mit Richard aus dem DSLV traf, und meinte, ich sei die richtige Person für so einen Job, klingelte eines Abends das Telefon und Barbara Roth war dran. Ich hatte keine Ahnung, wer sie ist, doch nach kurzer Zeit hatten wir bereits einen Termin vereinbart, um uns zu treffen. Neugierig bin ich zu besagtem Termin gefahren und kaum begannen wir zu reden, hatte ich den Eindruck, wir kennen uns schon lange. Kennst du das? Manchmal triffst du auf Menschen und obwohl du sie noch nie zuvor im Leben gesehen hast, wirken sie auf dich total sympathisch, ein Wort gab das andere und wir lagen in vielen Ansichten und Einstellungen, vor allem bezogen auf den Sport, auf der gleichen Wellenlänge. Sport verbindet eben und der Grundstein für eine langjährige Zusammenarbeit war, so habe ich heute den Eindruck, damals schon gelegt.
Meine Aufgabe beim DSLV sollte Vizepräsidentin und Schatzmeisterin sein. Nach Mathe-Leistungskurs, einer großen Affinität zu Zahlen und langer Tätigkeit als Sportlehrerin konnte ich mir diese Tätigkeit auch wirklich gut vorstellen. Was allerdings dann alles auf mich zu kam, übertraf bei weitem meine Vorstellungen.
Was war es denn, was deine Vorstellungen übertraf?
Andrea Kaufmann: Mehrmaliges Umziehen der Geschäftsstelle war sicherlich eine große, ganz praktische Herausforderung. Entrümpeln, neu malern, Kisten tragen, in Autos verladen, wieder auspacken und dies nach einem weiteren Jahr gleich nochmals, bis wir dann endlich eine „feste Bleibe“ gefunden hatten.
Spannend und zugleich herausfordernd war sicherlich auch, die bestehenden Karteikarten mit allen Mitgliedern auf eine digitale Basis zu stellen. Prozesse von Mitgliederaufnahmen und -abgängen und die gesamte Mitgliederverwaltung mussten in ein möglichst effizientes System umgewandelt werden, denn Ressourcen waren knapp, schließlich waren wir alle im Ehrenamt tätig und hatten so ganz nebenbei noch einen normalen Job. Dass es geklappt hat, und wir die ganze Verwaltung, auch die der Fortbildungen in eine Vereinssoftware integriert haben, lag auch an der Unterstützung von NetXP.
Fast durchgängig ist es uns gelungen, jemanden für die Geschäftsstelle zu engagieren, der uns in der administrativen Tätigkeit unterstützte. Wir konnten auch nicht viel zahlen, brauchten aber jemanden, der die doch anspruchsvollen und vielfältigen Aufgaben übernehmen konnte. Es gab auch Zeiten, in denen ich die Tätigkeiten der Geschäftsstelle in vollem Maße übernahm. Da wurde das Ehrenamt zu einem Vollzeit-Job. Da ging es dann nicht nur um die Mitgliederverwaltung, sondern auch um das gesamte Fortbildungswesen inkl. Referentensuche, Versenden von Fortbildungsunterlagen, Abrechnungen und vieles mehr. Hinzu kamen Beitragseinzüge, Kontrolle aller Zahlungseingänge und -ausgänge, Präsidiumssitzungen, Bewerbungsgespräche und schließlich Jahresabschlüsse in Zusammenarbeit mit dem Steuerberater. Ehrlich gesagt, manchmal war es ziemlich viel, trotzdem muss ich heute im Nachgang sagen, vieles hat wirklich Spaß gemacht, hat mich persönlich bereichert und wird sicherlich noch lange in meiner Erinnerung bleiben.
Könnt ihr ein paar Details nennen, die besonders herausfordernd waren?
Barbara Roth: Bei der größten Herausforderung teile ich die Meinung von Andrea. Den Verband ins digitale und Social-Media-Zeitalter zu führen, hatte ich mir nicht so aufwendig vorgestellt, wie es dann letztlich war. Ganz positiv hat meine Vorstellungen übertroffen, wie gut es dann doch gelang, bei einigen Themen Gehör zu finden und Allianzen zu schmieden. Es sind immer die Gespräche mit den richtigen Menschen, die Dinge voranbringen.
Auch der Bundesverband des DSLV hat sich als sehr wertvoller Partner für uns in Bayern erwiesen. Manche Sport-Themen sind nun mal auf der Bundesebene verortet, da ist es gut, dass der Bundesverband auftritt und alle abgestimmt in ihrem Bereich „mit einer Stimme“ sprechen.
Du sprichst immer wieder von dem „Team“! Wer war das alles und was hat euch ausgezeichnet?
Barbara Roth: Im geschäftsführenden Präsidium waren von 2014 bis 2019 Richard Ebert, Andrea Kaufmann und ich durchgehend dabei, und wir haben dann auch zusammen aufgehört. Alina Kirch und Melina Schnitzius sind heute noch im Präsidium und auch einige der anderen wirken nach wie vor mit.
Ehrenamtliche Arbeit gelingt am besten, wenn du die Ziele gut findest – mit dem, wofür du dich einsetzt, einen Sinn verbindest – und die Zusammenarbeit Spaß macht. Richtig dynamisch wird es, wenn du dich auf die Leute verlassen kannst und ein echter sachlicher Austausch entsteht, dann kann es ganz schön kreativ werden. Und genau so war es bei uns. Wir haben eine tolle sachliche Streitkultur gepflegt: hart in der Sache und weich zwischenmenschlich. Und immer mit dem Verständnis dafür, wenn jemand sich aus privaten oder beruflichen Gründen mal nicht so stark einbringen konnte, wie er oder sie es vielleicht anfangs gedacht hatte. Andrea war einfach die Schau, wie sie die Finanzen, die Verwaltung und phasenweise auch das Fortbildungsmanagement übernommen hat. Andrea und ich arbeiteten hauptberuflich im Fortbildungsbereich, sie bei der NATO Schule und ich am Pädagogischen Institut. Diese Kenntnisse und Erfahrungen brachten wir auch ein. Zudem war Andreas Erfahrung in der Vereins- und Verbandsarbeit Gold wert. Sie hat uns immer wieder in endlosen Diskussionen und unseren kreativen Überflügen geerdet mit ihrer Frage: „Und wer macht das dann eigentlich?“ So blieben wir ausreichend realitätsnah und konnten ganz schön viel umsetzen. Es war schon auch richtig lustig bei uns. Das Feiern durfte auch nicht fehlen. Wir teilten alle die Grundüberzeugung, was die Bedeutung von Sport für die Lebensqualität und den Bildungserfolg ausmacht. Da war Andreas langjährige Erfahrung als Lehrteamsmitglied bei diversen Skiverbänden und in dem Entwickeln von Bildungskonzeptionen auch sehr hilfreich. Wir dachten auch bei dieser Verbandsarbeit eben sportlich. Wir wollten was erreichen.
Andrea hat ja schon herausgestellt, was ihre Aufgabe war. Was waren denn eure Hauptaufgaben?
Barbara Roth: Mir oblag es, den Gesamtüberblick zu behalten, die Aktionen aufeinander und auf die Gesamtstrategie abzustimmen, und den Verband nach außen zu vertreten. Dies beinhaltete auch, Stellungnahmen und Artikel zu verfassen, auf Pressefragen zu antworten, in div. Gremien präsent zu sein und mitzuwirken, sowie auch mal ganz praktisch die Pickerl (die Jahresmarken) zum Versender vom DSLV-NEWS zu fahren, weil mal irgendwas schiefgelaufen war.
Welche weiteren Schwerpunkte hatte denn Deine Arbeit, Richard?
Richard Ebert: Als Schriftführer war ich zuallererst für die Protokolle zuständig, was ich dann als „Echt-Zeit-Protokoll“ eingeführt habe. Dann war ich für die Konzeption einer neuen Website zuständig, sowie für die Sichtung und Auswertung der „digitalen Datenlage“. Später kamen dann noch redaktionelle Aufgaben hauptsächlich für die Website hinzu und der satirische Preis „Ballpumpe des Monats“ ging auch auf mein Konto.
Hauptsächlich war ich jedoch mit der Website beschäftigt: Die wurde ja meistens einmal pro Woche aktualisiert. Dann haben wir einen Newsletter eingerichtet, der vier- bis sechsmal pro Jahr verschickt wurde: Allein der Aufbau eines großen Verteilers aus dem Nichts – da war schon einiges zu tun. Und ich war für die Kontakte für unsere verschiedenen Projekte zuständig: Städtetag, Gemeindetag, Industriekontakte usw. und hin und wieder schrieb ich auch selber noch den ein oder anderen Artikel. Und dazu musste immer wieder mal irgendwas an der IT im Büro gemacht werden…
Was genau hat dich am DSLV begeistert, Barbara?
Barbara Roth: Ich finde, dieser Verband bietet riesige Chancen. Der SportlehrerInnenberuf ist eine pädagogisch und fachlich ambitionierte Berufstätigkeit, die mehr gesellschaftliche Anerkennung verdient. Diese Anerkennung fordert der DSLV ein und der DSLV verschafft den Sportlehrerinnen und Sportlehrern Gehör. Im Sportunterricht bestehen zudem besondere Bildungschancen, die es in anderem schulischen Unterricht so gar nicht gibt. Durch die besondere körperliche und emotionale Situation von gutem Sportunterricht, die ich hier kurz mit „Lachen, Schwitzen, eine Herausforderung meistern, in Kontakt kommen“ beschreibe, entsteht eine sensible Bildungssituation. SportlehrerInnen können einen besonderen Draht zu den Kindern und Jugendlichen aufbauen. So haben zum Beispiel Studien zur Berufswahlentscheidung gezeigt, dass von allen Lehrer/-innen, besonders die Sportlehrkräfte, die Berufswahl beeinflussen.
Spätestens seit der Veröffentlichung der „Hattie-Studie“ (2009) ist umfassend belegt, dass der Erfolg des schulischen Unterrichts maßgeblich von den Lehrerinnen und Lehrern abhängt. Über 90 % dessen, was die Qualität einer Lehrkraft ausmacht, ist erlernbar, auch im Berufsalltag erweiterbar, und zwar in jedem Alter. Die Qualität und Art der Ausbildung und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer bestimmt letztlich über den schulischen Erfolg von Kindern und Jugendlichen. In diesem Sinne halte ich den DSLV für einen sehr wichtigen Berufsverband, der diese Qualitäten und Chancen auch transportiert. Idealerweise sollten die Fortbildungen des DSLV sich ja auch von der breiten Masse der Sportfortbildungen unterscheiden. In einer guten Fortbildung des DSLV wird regelmäßig reflektiert: „Welche Kompetenzen fördere ich mit diesem unterrichtlichen Vorgehen?“
Man nimmt immer was mit aus der Verbandsarbeit, was war das für Euch? Vielleicht erst Barbara und dann Andrea.
Barbara Roth: Mich hat ganz positiv beeindruckt, welches große Engagement und Verständnis für die Positionen des Sportlehrerverbandes ich bei einzelnen Personen erlebt habe. Und zwar aus verschiedenen Parteien und Verbänden. Mir wurde bewusster, dass es immer einzelne Menschen sind, die Dinge verändern, auch wenn manche nach außen gar nicht oder wenig in Erscheinung treten. So ist mir aus der Politik insbesondere Reserl Sem, MdL a.D. und Gerold Noerenberg, langjähriger Oberbürgermeister in Neu-Ulm, oder auch Diana Stachowitz, MdL, so wie Katharina Schulze, MdL, in Erinnerung, die alle wirklich verstanden haben, welches Potential für eine gelingende Gesellschaft in qualitativer Sport- und Bewegungsbildung steckt. Mehrere Erlebnisse hier näher auszuführen, würde zu weit führen. Nur ein Beispiel: Durch das Zusammenwirken von mehreren Personen aus Verbänden und Parteien war die Anhörung im Landtag zum Thema Schwimmen im Februar 2018 möglich geworden, mit umfassender Dokumentation. Diese Anhörung trug dazu bei, dass in Bayern ein neuer Fördertopf für die Renovierung von Schwimmbädern von der Landesregierung eingesetzt wurde (Sonderprogramm Schwimmbadförderung). Parteiübergreifend war klar, dass alle Kinder in der Schule schwimmen lernen müssen und dass das nur geht, wenn auch ausreichend Schwimmbäder erhalten werden, trotz klammer kommunaler Kassen.
Es hat mich auch gefreut, wenn Feedback von einem Mitglied des Verbandes kam, manchmal war das nur eine kurze E-Mail. Oder Reinhard Hollunder, der ja auch im Präsidium war und den Verband konstant begleitete. Er kam mal vorbei oder rief an und fragte einfach mal: „Na, wie geht es mit der Verbandsarbeit?“ Das tat gut und motivierte.
Andrea Kaufmann: Wenn ich mir die Antwort von Barbara so anhöre, dann stelle ich fest, dass sie eine andere Beziehung zu Verbandsarbeit hat als ich. Ihr Ansatz liegt, natürlich bedingt durch ihre Position als Präsidentin, im Repräsentieren und damit auch im Networken im gesellschaftspolitischen Kontext. Ich bin da eher der Praktiker. Meine Befriedigung entsteht, wenn ich den Erfolg sehen und greifen kann. Insofern nehme ich auch mehr die „Operative“ aus dieser Verbandsarbeit mit. Gerade durch die vielfältigen Tätigkeiten, zum einen als Schatzmeisterin, zum anderen als Zuständige für alles, was die Geschäftsstelle anbelangte, durfte ich mir ein breites Spektrum an neuen Fertigkeiten aneignen. Ich bekam Einblicke in diverse Themen sowohl der Finanz- und Arbeitsrechtswelt als auch der unendlichen Möglichkeiten der digitalen Umsetzung von verschiedenen Bereichen. Sicherlich Kompetenzen, die ich auch in der Zukunft gut gebrauchen kann. Für mich galt schon immer der Grundsatz von lebenslangem Lernen, den ich auch in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit weiter fortsetzen konnte. Und das fand ich toll!
Was sind die größten Erfolge in den Jahren 2012-2019 in Stichworten?
Barbara Roth: Digitale Transformation, Fortbildungen, Homepage, Social Media, effiziente Verwaltung mit langfristigem Mietvertrag für das Büro, guter Kontakt zu Politik und anderen Verbänden, berufsverbandliche Ausrichtung für Sport als Beruf, Initiative für mehr Schwimmen / Sportbrille / Barfusslaufen, DSLV-NEWS, Öffentlichkeitsarbeit, diverse Presseberichte und Anfragen auf Podien, Stellungnahmen, Vorträge, Artikel, Konzeption für die Kampagne „Bayern beweg Dich“ (die wir leider nicht vollständig umsetzen konnten), Trendwende bei der Mitgliederzahl
Womit seid ihr nicht zufrieden?
Barbara Roth: Es ist letztlich nicht gelungen, die echte Trendwende hin zur täglichen Bewegungsstunde in allen Bildungseinrichtungen zu schaffen. Auch die „Pisa-Sieger“ oder sehr erfolgreiche Länder, wie zum Beispiel Island, beweisen ja, dass es geht und wie erfolgreich das ist. Diese Länder geben nicht mal unbedingt mehr Geld für Bildung pro Kopf aus. Sie machen es nur anders. Deswegen bin ich nach wie vor der Überzeugung, dass die Bayern die tägliche Bewegungsstunde für das Wohlergehen, für die Gemeinschaft, für die gesundheitliche Prävention brauchen. Klar braucht das längere Übergangszeiten und individuelle, auch kreative Lösungen vor Ort. Aber es wäre machbar, wenn der politische Wille da wäre. Das würde sich schon in 10/15 Jahren auch für den Staatssäckel finanziell als Ersparnis auszahlen.
Schon mittelfristig würde sich zeigen, dass eine gute Prävention und frühe Bewegungsbildung eine günstige und erfolgreiche Strategie ist. Ein gelungenes Beispiel für wirksame Prävention ist die viele Jahre alte Initiative für Zahngesundheit. Während ein 12-jähriges Kind Mitte der 90er Jahre noch rund 2,5 kaputte Zähne hatte, sind es heute durchschnittlich nur noch ca. 0,5. Ähnliche Erfolge kann auch eine qualitative Sport- und Bewegungsbildung entwickeln, dabei Schulleistungen positiv beeinflussen und insgesamt den Lebenserfolg und die persönliche Zufriedenheit von Kindern und Jugendlichen fördern. Dadurch können auch erhebliche Kosten in anderen Bereichen eingespart werden, wie zum Beispiel im Bereich der Medizin oder der Bildungsförderung. Das bayerische Gesundheitsministerium geht davon aus, dass im deutschen Gesundheitssystem bereits 2018 rund 80 Milliarden Euro (€ ) jährlich für prinzipiell vermeidbare Krankheiten ausgegeben wurden. Diese Ausgaben werden noch deutlich steigen, wenn die heute an Bewegungsarmut leidenden Kinder älter werden. Solange Inaktivität in der Kindheit als stabiles Verhaltensmuster geprägt wird, werden viele später ansetzende Präventionsmaßnahmen ins Leere laufen. Hingegen verursacht eine kontinuierliche Bewegungsbildung von Kindesbeinen an vergleichsweise geringe Kosten, legt Aktivität als primäres und stabiles Verhaltensmuster an und erhöht gleichzeitig langfristig Lebenschancen durch Bildungsteilhabe und soziale Integration. Ist Aktivität als stabiles Muster in der Bildung angelegt, ergibt sich der Brückenschlag zu der vielfältigen, bayerischen Vereinssportkultur von selbst und die Basis für ein bewegtes, gesundes und zufriedenes Leben ist geschaffen. Wir haben auch hier kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem. Es ist letztendlich nicht gelungen, eine relevante politische Mehrheit zu überzeugen. Es ist nicht gelungen, die schon mittelfristigen, gesellschaftlichen Sparpotentiale und Chancen durch die tägliche qualitative Sport- und Bewegungsstunde aufzuzeigen.
Wir hatten auch bezüglich unserer Kampagne „Bayern, beweg Dich!“ nicht damit gerechnet, dass es diversen SportlerInnen gar nicht möglich war, uns zu unterstützen oder mitzuwirken. Dies lag daran, dass Sponsoren den SportlerInnen ziemlich genau vorschreiben, was sie tun oder lassen dürfen. Überrascht hat mich auch die Aussage eines Sportwissenschaftlers. Dieser erzählte mir, dass ihm im Kontakt mit Ministeriumsvertretern unmissverständlich klargemacht wurde, dass Wissenschaftler zum Forschen da sind, aber sich nicht berufsverbandlich engagieren. Und ohne „extra Ministeriumsgeld“ und Drittmittel (auch via Sponsoren) geht heute in der Forschung kaum mehr was. Früher waren sehr viele Sport-Lehrbeauftragte und Sport-WissenschaftlerInnen im Sportlehrerverband, heute sind es nur noch ganz wenige. Ich habe den Eindruck, dass es für die Karriere als nicht förderlich betrachtet wird, wenn man sich verbandlich engagiert. Das sind häufig sublime Botschaften „von oben“, die laufen selten explizit. Aber karrierebewusste junge Menschen spüren das. Das ist eine antidemokratische Tendenz, die mich beunruhigt.
Ich habe auch gelernt, dass Krankenkassen aus ihrem Präventionsbudget gerne Geld für ein „paar Projekte“ an Schulen ausgeben. Ein Schulleiter nannte das mal „Projekt-titis“. Da gibt es mehr als genug davon. Sport gehört aber grundlegend zum Wohlergehen. Du musst ihn täglich machen, besser sogar mehrmals am Tag auch moderat bewegen. Klar ist ein Sportprojekt besser als nichts. Aber wo kommen wir hin, wenn Politik nur noch reaktiv ist und wir nicht mehr wirklich an der besseren Zukunft arbeiten?
Es wird auch noch lange dauern, bis in Bayern ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagesschulen mit Kind-gerechtem Bewegungsangebot umgesetzt wird, sprich täglicher Bewegungsstunde. Bewegungsgestützte Betreuung wird aktuell häufig von Ehrenamtlichen aus den Vereinen übernommen. Diese Kooperation mit Vereinen vor Ort funktioniert meist dann längerfristig wirklich gut, wenn mit angestellten Sportlehrerinnen und Sportlehrern gearbeitet werden kann. Qualifiziertes Personal, das in einer sozialversicherungspflichtigen Haupttätigkeit das umsetzt, was es in einer Ausbildung gelernt hat, ist ja auch in jedem anderen Beruf die beste Lösung. Dazu sind nur wenige große Vereine in der Lage. Ich denke, heute könnte in jeder Kommune/Region ein oder mehrere freiberufliche Sportlehrerinnen und Sportlehrer ihr Auskommen finden. Diese Sportlehrkräfte können das betriebliche Gesundheitsmanagement für Firmen übernehmen, könnten in KITAs und Bildungseinrichtungen arbeiten und die Vereine unterstützen. Mit dieser Idee des / der kommunalen freiberuflichen SportlehrerIn bin ich nicht wirklich durchgedrungen.
Es bleibt auch spannend für mich, wie sich der DSLV weiter entwickeln wird. Das erlebe ich aber nur aus der Distanz. Den Nachfolgern reden wir nicht rein. Die machen das auf ihre Art und Weise.
Andrea Kaufmann: Nachdem Barbara bereits einen großen Teil deiner Frage sehr ausführlich beantwortet hat, fällt es mir schwer, hier noch etwas drauf zu legen. In den meisten Punkten stimme ich ihr zu. Was mich allerdings am meisten erstaunt hat, war, dass es kaum möglich war, Ideen und Vorschläge zeitnah an höhere Instanzen weiterzugeben, um schlussendlich auch zeitnah ein Ergebnis zu erhalten. Unsere bürokratischen Prozesse sind äußerst langsam, dass man sich manchmal fragen muss, wie überhaupt noch etwas vorwärtsgehen kann. Gerade im heutigen Zeitalter der Digitalisierung und Social Media, in einer Zeit, die gesellschaftlich galoppiert, kann es doch nicht sein, dass Ideen und Vorschläge über Jahre hinweg in der Bürokratie versickern. Der Einfluss eines Verbandes in die Politik ist zwar vorhanden, doch die Umsetzung vieler Anträge lässt auf sich warten. Das hätte ich mir so nicht vorgestellt und ruft bei mir ein Gefühl großer Unzufriedenheit hervor. Das Akzeptieren, dass etwas so ist und du nichts ändern kannst, fällt mir definitiv schwer.
Was bleibt Euch in Erinnerung, wenn ihr auf die Zeit im Präsidium zurückblickt?
Richard Ebert: Also die Turbulenz der Mitgliederversammlung 2014 war schon legendär! Dann die Freude, als die erste Version unserer neuen Website online ging, die dann sogar um ein voll funktionsfähiges Buchungssystem für unsere Fortbildungen erweitert wurde! In diesem Zusammenhang möchte ich auch ausdrücklich unserer Agentur besserdrei in München und vor allem deren Geschäftsführer Toby Volke herzlich danken: Ohne seine Hilfe, die weit über das bezahlte Maß hinausging, wäre das alles nicht möglich gewesen.
Und unser satirischer Preis „Ballpumpe der Saison“: Das erreichte manchmal schon richtig professionelle Ausmaße: Die Regierungsfraktionen (SPD) im Stadtrat München waren einmal sehr pikiert und gleich die allererste Ausgabe führte zu einer Einladung ins Maximilianeum, wo sich ein Mitglied des Landtags sichtlich betroffen mühte, uns darzustellen, dass alles doch ganz anders sei … Da haben wir ganz schön viel Aufmerksamkeit erzielt.
Andrea Kaufmann: Ehrlich gesagt ganz cool fand ich, mit Barbara gemeinsam an einem Artikel für Gleitsport im Schnee – Chancen für die Wagnisbildung zu schreiben. Meine Erfahrungen aus dem Schneesport gepaart mit den sportpädagogischen Hintergründen von Barbara ergaben einen tollen, wertvollen Beitrag in den Schriften der Arbeitsgemeinschaft Schneesport an Hochschulen, Band 24. Nicht zuletzt beherrscht Barbara das Schreiben mit Bravour! Und das konnte ich mir zu Nutzen machen. Auf so jemand trifft man nicht alle Tage.
Barbara Roth: Da übertreibst jetzt aber, Andrea!
Andrea Kaufman: Und eine ganz pragmatische Sache blieb mir auch stark in Erinnerung. Unsere Präsidiumssitzungen, die um 18:00 Uhr begannen und vor Mitternacht niemals endeten. Die gefüllt waren mit einer langen Liste an Themen, die zu fruchtbaren Diskussionen anregten, aber auch manchmal in außergalaktische Sphären abhoben. Und die vergebliche Hoffnung, danach noch ein Bier trinken gehen zu dürfen, leider aber vor verschlossenen Türen endete.
Barbara Roth: Hey, wir haben schon gelegentlich noch ein Bier im Schneider Weiße bekommen!
Jeder Hang eine Herausforderung, jede gemeisterte Piste ein Erfolg. – So oder so ähnlich haben Andrea und ich bezüglich Gleitsport und Bildungschancen nicht nur geschrieben, sondern das Prinzip war auch unser aller Grundüberzeugung für unser Tun: Herausforderungen annehmen, sie meistern und genießen.
Gute Pädagogik wird von den einzelnen Menschen gemacht und für mich bleibt in Erinnerung, dass ich tolle Menschen kennen lernen durfte, im Präsidium, bei den Mitgliedern und bei der Tätigkeit für den DSLV. Da waren tolle Lehrerinnen und Lehrer, die zum Beispiel in ihrer Freizeit am Wochenende oder am Ende der Sommerferien miteinander auf Fortbildung gingen, sich austauschten und gemeinsam Spaß an der ständigen Weiterentwicklung hatten und lernten. Ich habe auch in Erinnerung, dass eine Lehrerin mal sagte: „Ich habe den schönsten Beruf, den es gibt.“
Der Gesamteindruck Eurer Arbeit?
Richard Ebert: Es war eine tolle Zeit, sehr viel Arbeit mit laaaaangen Vorstandssitzungen – aber ein tolles Team und letztendlich waren wir sehr erfolgreich.
Andrea Kaufmann: Ich denke, es war eine intensiv erlebte Zeit mit wertvollem Input, grandiosen Menschen, mit teilweise endlosen, aber durchaus fruchtbaren Diskussionen und mit erreichter Außenwirkung, die sich sehen lassen kann.
Was wünscht ihr euch für den DSLV in der Zukunft?
Barbara Roth: Ich wünsche (den Kindern und Jugendlichen in Bayern), dass mindestens jede/r zweite SportlehrerIn und SportwissenschaftlerIn in Bayern Mitglied im DSLV Bayern e. V. wird. Dann kann der DSLV wirklich was umsetzen.
Andrea Kaufmann: Ich wünsche mir, dass es euch gelingt, die Bedeutung des Sports und der Bewegung ein klein wenig weiter vorwärts zu bringen und sie in den Herzen unserer Gesellschaft zu verankern. Ich wünsche euch viele Neumitglieder, die euch tatkräftig unterstützen, um präsent in allen Medien zu sein. Ich wünsche euch viele qualitativ hochwertige ReferentInnen, die den Sport pädagogisch verantworten. Aber vor allem wünsche ich euch, dass ihr im Team zusammenarbeitet und wie wir ganz viel Spaß bei eurem Tun haben werdet.