Möchte gern: Sporthauptstadt

In München steht nicht nur ein Hofbräuhaus sondern auch der Sport im Mittelpunkt, vor allem in den gedruckten Medien. Immer. Hier findet sich umgehend an repräsentativer Stelle in allen fünf erscheinenden Gazetten, wenn der (damals aktuelle Nationaltorwart eine „neue Blonde“ in einem Tanzschuppen mit Schampus abfüllt. Wenn ein Fußballprofi in seiner Freizeit nächtens in einer Diskothek erkannt wird, wird hier eine Hetze organisiert, die keinen Vergleich mit dem hübschen alten Brauch des Haberfeldtreibens zu scheuen braucht. Ist dann noch eine juristische Großtat wie etwa Geschwindigkeitsüberschreitung mit dabei – Heissa! Das ist ein Fest für den guten Münchener Sport-Journalisten! Ein weiterer sportlicher Höhepunkt auf Papier ist eine als Arbeiterverein titulierte Ansammlung, die gern von sich behauptet, reinen, ehrlichen Sport zu bieten, realiter aber ein zweitrangiges Tölpeltheater produziert, in dem gerade Millionen eines Sponsors verbrannt werden, nachdem in den Jahrzehnten zuvor immer wieder mal auch die öffentlicher Hand gewisse Inkompetenzen des Vorstands mit Steuermitteln ausgeglichen hat.

Manchmal berichten die hiesigen Medien aber auch wirklich über Sport, zum Beispiel dass Fussballer bei der Basketball Franchise des Vereins die hier ansässigen Fotografen dazu bewegen, Fussballer zu fotografieren, die Baseball Käppis beim Basketball schwenken…

Was das mit wirklichem Sport zu tun hat? Eigentlich nur soviel, dass Sport hier als Kulisse dient, Themen zu generieren, die eigentlich keiner braucht, hören oder sehen will, und die den Sport als Bergwerk nutzt, möglichst große Schlagzeilen der Rubrik „schlimmster Skandal“ zu fördern. Und in der Regel mit Fussball als Hintergrund. Und das täglich.

Geht es einmal auf die Zeit zu, wo Fussball gerade Pause macht, bricht für Münchens Schreiberlinge der Sportseiten die große Zeit des Radsports, wo der gute Münchener Sportschreiber schon gern mal zwei Druckseiten mit dem Thema Doping füllt. Ergebnisse, Rennverläufe – ach ja: „Gewonnen hat ….“ – : damit sind ja auch schon die inhaltlichen, sprich Randbereiche eines jeden Wettkampfs journalistisch ausreichend gewürdigt. Viel wichtiger und ergiebiger sind aber pharmazeutische Themen, die ohne auch nur den Ansatz von medizinischem Wissen in epischer Breite ausgewalzt werden. Und natürlich: Was diese Sportler doch alles für Verbrecher sind! Außer denen, die es nicht schaffen, auf die Siegerlisten zu kommen – das sind unfähige Idioten, die falsch trainiert haben. Alle anderen sind Verwertungsroboter einer pharmazeutischen Industrie, die sofort eingesperrt gehören. Und da schwärzt man gerne auch mal Rechte, die jedem (sonstigen) Schwerstverbrecher zustehen: Ein Mensch, der professionell Sport betreibt, hat kein Recht mehr auf Privatspähre, auf eine verbindliche Rechtsprechung – nix da! Wo kämen wir denn hin, wenn sich ein Münchener Journalist seine Themen erarbeiten müsste! Es schreibt sich doch viel schneller: „Notorischer Doper…“ als wenn man noch dazu (v)ermitteln würde, dass das gefunden Doping-Mittel Koffein war und die Notorik des Vorgangs darin bestand, dass es fünf Espressi hintereinander waren. Für einen Münchner Journalisten scheinen Sportler notorische Verbrecher zu sein, die unter 24-stündiger Daueraufsicht durch Medien stehen müssten. Wer den Fehler macht, Leistungssport zu betreiben, verliert in Münchner Medien automatisch alle Menschenrechte: Er oder sie ist ab diesem Zeitpunkt Gegenstand eines Prozesses, der zwischen jakobinischem Inquisitionseifer und protestantischer Lustverweigerung pendelt. Ureigenstes Rechtsverständnis, wie etwa, dass Vergehen nicht im Nachhinein aufgrund einer geänderten Rechtssituation verfolgt werden dürfen – wen juckt‘s?! Wir sind hier nicht in einem Rechts-basierten Raum, sondern im Sport: Und da hat die populistische Empörung von Medienbediensteten das Sagen und Schreiben.

Die Rolle als korrigierendes Element in diesem an das alte Rom erinnernde Sportspektakel in den Zeitungen gibt in München aber Gottseidank ja die Politik, die die Richtung bestimmt. Hier dankt jeder Oberbürgermeister dem lieben Gott für eine Institution wie dem FC Bayern! Der kommt in der Regel spätestens jedes zweite Jahr zu Besuch auf den Rathausbalkon, wo sich das Stadtoberhaupt dann einem möglichen Wahlvolk als eigentlicher Initiator von Meisterschaften
präsentieren darf.
Deshalb wirft sich hier der satirisch ja nicht ganz unbegabte derzeitige Oberbürgermeister in Schale und in die Schlacht eines Volksbegehrens, wenn es gilt, dem Steuerzahler einen erklecklichen Beitrag für eine Arena aus den Rippen zu leiern, in der zugegebenermaßen derzeit ausgesprochen hochklassige junge Millionäre versuchen, anderen jungen Millionäre das runde Leder in den Kasten zu hauen.

Aber jetzt ist schon wieder Fussball das Thema – Schluss damit!

Die Politik wirft sich nämlich sonst schon durchaus in vollster Breite für die Belange des Breitensports in die Bresche. Zwar fällt in München der Schulsport genauso häufig aus wie im übrigen Bayern: Erdkunde und Religion sind halt einfach wichtiger, als Gesundheit. Das Gesundheitsthema wird gern hinter der grünen Thematik Bio-Lebensmittel versteckt, so etwa nach dem Motto „ein Herz-Kreislauf-Problem, das man sich mit ökologisch einwandfreier Nahrung anfrisst, ist ein gutes…“Es gibt in München sogar ein Sportamt, das von engagierten Leuten geleitet und betrieben wird. Nur leider erzwingt es halt jeweils die „derzeitige“ finanzielle Situation, dass es personell und budgetär durch Stadtspitze ausgeblutet werden „muss“ – und das seit Jahren …

Und mit Schulsport holt man ja auch keine Prominenz, geschweige denn Fussball-Promis hinter dem Kamin vor! Da investiert man ganz pflichtschuldigst Millionen in eine Olympia-Bewerbung, die von vorne herein zum Scheitern verurteilt war, aber eindeutig mehr Bildchen in allen Medien der umworbenen Wählerschaft produziert hat als ein jedes neue Sportprojekt für Kinder. Überhaupt gehört Schulsport ja sowieso viel eher in den Bereich des Kultusministers – und der sitzt ja bei der bayerischen Staatsregierung, mithin juristisch gesehen ausserhalb von München: Sollen doch gefälligst die zahlen!

Zugegebenermaßen hat ja München seit 1972 für die Allgemeinheit ganz tolle Sportanlagen – zum Beispiel das Olympia-Stadion! Neben der Frauenkirche wahrscheinlich das am meisten fotografierte Objekt der Stadt. Nur: Sport findet dort eigentlich keiner mehr statt – außer man will die Massen-Acts der internationalen Popkultur als Tanzveranstaltung ansehen. Ist ja auch kein Wunder: das Stadion ist nun geschlagene 40 Jahre alt – wie die restlichen Anlagen der Spiele von 1972 halt auch. Das Eisstadion ist dermaßen rückst.ndig, dass man es eigentlich viel besser als Museum für Sportstättenbau des letzten Jahrhunderts verwenden würde denn als Wettkampfstätte für Eissportarten: Verkalkte Leitungen, veraltete Technologie, bröckelnder Putz, hin und wieder auch mal Kunstschnee am Mittleren Ring aus den Verdampfern der Eisanlage. Denn wenn es sein muss, kann man ja auch in die Olympia-Halle ausweichen! Da wird dann einmal im Jahr komplett eine mobile Eisbereitung eingekauft, mal so eben für vier Tage ein bedingt geeigneter Boden verlegt – damit Weltstars des Sports auf schlechtem Eis Dinge vorführen, die sogar in der veralteten Eishalle besser gehen würden, aber dort passt halt einfach sonst nichts zum Eishockey. So verwundert es nicht, dass das professionelle Eishockey in München Zeit seines Bestehens nie eine wirkliche Chance auf Überleben hatte: Es fehlte nicht an Zuschauern, sondern die Rahmenbedingungen waren seit Ende der 70-er Jahre nicht mehr wirklich vorhanden und eine Verbesserung wurde von der Stadt nie angestrebt – nicht einmal als die Münchner Deutscher Meister wurden! Die Stadt hätte offiziell immer gerne was dazu beigetragen, aber leider, leider gab es dauernd andere wichtigere Dinge und nie Geld oder Unterstützung.

Zum Glück springt jetzt ein weltbekannter Brausefabrikant ein, der vielleicht ja dann sogar sein eigenes Stadion baut – siehe „Arena“ in Fröttmaning und „Dome“ am Westpark… –, auch wenn man ansonsten die menschenverachtende Sensationsgier dieses Konzerns natürlich hochmoralisch ablehnt und vollinhaltlich verurteilt! Aber die Stadtvorderen werden es schon schaffen, dass sich der Konzern läutern wird – alleine durch die Tatsache, dass er in München ein Stadion bauen und Geld verdienen darf! Ganz bestimmt, das machen Konzerne so!

Total Unbeirrbare werden vielleicht fragen, was das alles denn mit Sport für die Bürgerinnen und Bürger, für die Allgemeinheit zu tun hat? Natürlich gar nichts! Dafür hat man in München ja dann die sogenannte ZHS, die Zentrale Hochschul Sportanlage. Da können dann Menschen aus und um München Sport betreiben. Zumindest bestimmte. Man muss bloß an einer der Münchner Hochschulen studieren, dort Mitarbeiter/- in oder Mitglied im Förderverein sein. Viele unserer Verbandsmitglieder haben einen großen Teil ihres Studiums dort zugebracht und / oder dort Prüfungen abgelegt. Die Anlage ist zwar genauso alt und im selben baulichen Zustand wie die Eishalle – wird aber letztendlich vom Freistaat Bayern getragen. Das hat für die Stadt München viele Vorteile: Zum einen hat die selbsternannte Sporthauptstadt eine Ausrede, zum anderen mal keine Kosten für den Unterhalt und zum Dritten einen prima Sündenbock.

Und der Freistaat tut wirklich sein bestes, diesem Sündenbock-Image gerecht zu werden: Der eigentliche Betreiber der Anlage ist die TU München. Und dort sitzt an oberster Stelle als Präsident ein Mensch, der mit der Bezeichnung „Elite-krat“ sicherlich nicht ganz unrichtig tituliert ist. Seit Jahren hat er es sich auf seine Fahne geschrieben, die TU München zu einem Hort der Elite der Technik zu machen. Die Verhältnisse für den Großteil der Studierenden sind zwar weithin katastrophal und an jeder normalen Wald-und- Wiesen-Uni besser (z.B. Stichworte wie Bibliotheksplätze, Betreuungsschlüssel, Abbruchquote), aber Hauptsache, die Drittmittel sprudeln genauso wie die Ehren- und sonstigen Doktorwürden für die TU München. Natürlich stellt sich in so einem geistigen Umfeld die Frage, was verschwitzte Menschenkörper mit technischer Elite zu tun haben sollen! Ist es nicht viel eher Ziel der Elite des technischen Studiums, dass Schweiss komplett aus dem Menschenumfeld verbannt werden soll?

Was also tun mit einer Anlage, wo sich Menschen zur Not auch einfach mal nur tummeln und schwitzen? Und gleich sowas von gar nichts zur elitären Lösung von technischen Problemen beitragen? Für solche schwierigen Fragen hat unser TU Präsident genau die richtige Hilfe in einem Mann gefunden, der das Elitedenken endlich an die richtige Stelle in den Sport bringt! Was soll der ganze Kirmeskram mit Bewegung und Fitness? Füllt man damit Bibliotheken? Wird man damit Ehrendoktor? Nein – deshalb wird in Zukunft auch im Sport an der TU München nur die reine, hehre Lehre zählen! Coopertest, Bewegung, Geräte – Schluss mit dem ganzen Kinderkram! Das ist was für Spielplätze und Bolzwiesen – aber garantiert nichts für einen Eliteschuppen wie eine TU München!
Was also mit der ZHS tun? Einfach abreissen.

Genau das passiert momentan genau dort. Neubau? Bis auf weiteres nichts geplant. Was kommen wird ist ein ganz schniekes, Elitetaugliches Institut mit vielen Hörsälen und vielen Computern und sicherlich noch viel mehr wirklich wichtigen Elite-Denkern – wer will da noch nach Sportplätzen fragen: Das ist doch nur Schweiss und keine noblige Elite…

Unbestätigten Gerüchten nach hatte die gewollte Sporthauptstadt München ursprünglich geplant, ganz energisch gegen diesen Kahlschlag zu protestieren. Leider hatte die Stadtregierung grad in diesem Augenblick etwas wichtigeres zu tun und außerdem kein Geld im Budget vorgesehen, um an der TU oder bei der Staatsregierung anzurufen. Und leider hatten auch die diversen Mitglieder der diversen Fraktionen grad da keine Zeit – es wird geunkt wegen Fototerminen mit Fussballpromis. Drum hat man das Thema mal neu überdacht und ist zum Schluß gekommen:

Ah, geh, Sport – so eine Unruh!

Georg Wrobel, DSLV News I/2013

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